Wir feiern Liebermann! Vom späten Ruhm eines Gemäldes

Im dritten Teil unserer Gastblogging-Reihe „Wir feiern Liebermann!“ widmet sich Klara Scheuren, ehemalige wissenschaftliche Volontärin am Museum Kunst der Westküste auf Föhr, Liebermanns Werk „Tennisspieler am Meer – 1. Fassung“ (1901) aus der Sammlung des MKdW. Das Gemälde ist eines der gefragtesten Leihgaben und war Teil zahlreicher Ausstellungen.

2017 war es das Titelbild der Schau „Max Liebermann – Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport“ in der Kunsthalle Bremen in Kooperation mit der Liebermann-Villa. Der öffentliche Raum war „gepflastert“ mit dem Motiv und die Ausstellung ein großer Erfolg.

Max Liebermann, die Nordseeküste und das MKdW

Das Gemälde „Tennisspieler am Meer – 1. Fassung“ (1901) befindet sich seit 2004 im Sammlungsbestand des Museums Kunst der Westküste (MKdW) und fügt sich thematisch in dessen Sammlungsschwerpunkt ein. Mit Bezug auf seine einzigartige geografische Lage auf der Nordseeinsel Föhr hat sich das MKdW mit mehr als 900 Gemälden und Grafiken den Bildthemen „Meer & Küste“ verschrieben. Die Sammlung vereint künstlerische Positionen, die zwischen 1830 und 1930 und damit von der Romantik bis zur Klassischen Moderne entlang der Nordseeküste in Norwegen, Dänemark, Deutschland und den Niederlanden entstanden sind.

Max Liebermann reiste seit 1871 alljährlich an die niederländische Nordseeküste, wo er im engen Austausch mit seinem Freund und Malerkollegen Jozef Israëls ein vielseitiges Œuvre schuf. Lag sein Augenmerk im ausgehenden 19. Jahrhundert zunächst auf dem Lebens- und Arbeitsalltag der einfachen Fischer- und Bauernfamilien, wandte er sich um die Jahrhundertwende zunehmend der Küstenlandschaft als touristisches Ziel bürgerlicher Sommergäste zu. Inspiriert von den französischen Impressionisten galt sein Interesse nun bevorzugt dem mondänen Strandleben sowie dem Freizeitvergnügen der Badenden, der Reiter*innen und Sporttreibenden.[1]

Max Liebermann: Tennisspieler am Meer – 1. Fassung, 1901, Öl auf Leinwand, Museum Kunst der Westküste, Alkersum/Föhr.

Tennisspiel am Meer

Zu diesem Motivgenre zählt auch das Gemälde „Tennisspieler am Meer – 1. Fassung“, das 1901 infolge eines Sommeraufenthaltes Liebermanns im niederländischen Nordseekurort Scheveningen entstand. Inspiriert von seiner Tochter Käthe, die sich während der dortigen Familienaufenthalte gern im Tennisspiel übte, stellt Liebermann zwei junge Damen dar, die auf einer ebenen Rasenfläche gegen zwei junge Männer antreten. Am rechten Spielfeldrand hat sich eine Gesellschaft zusammengefunden, die sich, stehend oder in Strandkörben sitzend, angeregt unterhält. Im Hintergrund erstreckt sich bis an den Horizont das blaue Meer.

Liebermanns atmosphärische Darstellungen der meist sommerlichen Motive werden zunehmend von Licht, Farbe und Bewegung geprägt.[2] Das zeigt sich auch am Beispiel der „Tennisspieler am Meer – 1. Fassung“. Helle Farbflächen – in Pastelltönen gehalten – die sanft miteinander verschliffen werden, suggerieren einen angenehmen Sommertag. Mittels eines leichten Grauschleiers sowie eines dynamischen Pinselduktus, der sich insbesondere in der Himmelszone zeigt, vermittelt Liebermann gekonnt die von frischer Seeluft und ständigen Brisen geprägte Atmosphäre an der Küste. Der Eindruck von Leichtigkeit wird zudem von der unmittelbaren Bewegung der Akteure auf dem Spielfeld getragen, wobei die knöchellangen Röcke der Damen den Schwung, mit dem sie zum Schlag ausholen, zusätzlich betonen.

Ein Jahr später schuf Liebermann eine zweite, von ihm bevorzugte Fassung desselben Motivs. Im Gegensatz zur Vorgängerversion wurde diese in den darauffolgenden Jahren mehrfach in Fachzeitschriften reproduziert, regelmäßig öffentlich ausgestellt und „gehörte von Anbeginn zu den kanonischen Werken des Künstlers nach 1900.“[3]

Deren Verbleib ist heute jedoch unbekannt; auch dies mag ein Grund dafür sein, dass sich die erste Fassung in den letzten Jahrzehnten einer wachsenden Popularität erfreut, wie ein Blick auf seine jüngste Leih- und Ausstellungshistorie zeigt.

Ausstellungen

Fast jährlich war das Gemälde Teil einer umfassenden Kunstschau, die sich dem Werk Liebermanns aus unterschiedlichen Perspektiven näherte – in namhaften deutschen Museen wie auch in den Niederlanden. Oft legten sie den besonderen Fokus auf dessen sommerliche, von der impressionistischen Malerei in Frankreich inspirierten Sujets.

Hierzu gehörten die Ausstellungen „Reiselust und Sinnesfreude. Corinth – Liebermann – Slevogt“ in der Kunsthalle Apolda Avantgarde und der Kunsthalle Jesuitenkirche in Aschaffenburg (2011/12) oder „Max Liebermann. Een zomers impressionist“ im niederländischen Gemeentemuseum Den Haag[4] (2018). Eine besonders prominente Stellung nahm das Werk in der Präsentation „Max Liebermann – Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport“ ein, die im Jahr 2017 in der Kunsthalle Bremen zu sehen war. Hier wurden die „Tennisspieler am Meer – 1. Fassung“ als Titelmotiv gewählt und erreichten eine enorme mediale Reichweite. Auch im MKdW wurde es wiederholt ausgestellt, zuletzt anlässlich der Jubiläumsschau „10 Jahre MKdW – Meisterwerke“ (2019). Und auch für das kommende Jahr ist im Rahmen der Sammlungspräsentation „Neue Schätze im MKdW. Von Max Liebermann bis Jochen Hein“ ein Wiedersehen geplant.

Ausstellungsansicht „10 Jahre MKdW – Meisterwerke“, Museum Kunst der Westküste, Alkersum/Föhr, Foto: Lukas Spörl.
Werbebanner mit Hauptmotiv „Tennisspieler am Meer – 1. Fassung“ vor der Kunsthalle Bremen, anlässlich der Ausstellung Max Liebermann – Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport, Foto: Melanka Helms.

„Max Liebermann – Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport“ in der Kunsthalle Bremen

Die Schau „Max Liebermann – Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport der Kunsthalle Bremen in Kooperation mit der Liebermann-Villa knüpfte thematisch an die erste nachgewiesene öffentliche Ausstellung des Gemäldes „Tennisspieler am Meer – 1. Fassung“ im Jahr 1927 in Berlin an.[5] Diese war unter dem allgemeinen Titel „Sport“ als Kooperation zwischen der Berliner Secession und dem damaligen Museum für Leibesübungen realisiert worden und vereinte unterschiedlichste zeitgenössische Positionen zum Thema. Die Kunsthalle Bremen feierte Max Liebermann, 90 Jahre später, erstmalig mit einer monografischen Ausstellung als ersten deutschen Maler, der sich der künstlerischen Verarbeitung sportlicher Themen widmete.[6]

Von britischen Kurgästen auf das europäische Festland „importiert“, wurden das sogenannte „Lawn-Tennis“ genauso wie die unterschiedlichen Reitsportarten nach der Jahrhundertwende auch hierzulande in adeligen und bürgerlichen Kreisen populär.[7] Mit der Darstellung freizeitlich-sportlicher Aktivitäten konnte sich Liebermann als Maler des modernen Lebens profilieren. Indem er dabei die Tennisspieler*innen zum Hauptmotiv erkor, etablierte er ein gänzlich neues Bildthema, das in der Malerei der französischen Impressionisten kein Vorbild hatte und seine künstlerische Eigenständigkeit unterstreicht.[8]

Ausstellungsmarketing der Kunsthalle Bremen im öffentlichen Raum, Fotos: Melanka Helms.

Auch aufgrund dessen wurde das Werk zum Titelmotiv der Bremer Ausstellung bestimmt. Mittels der intensiven Marketing-Aktivitäten entfaltete sich eine beeindruckende Omnipräsenz im öffentlichen Raum der Stadt Bremen. Mit nicht zuletzt 84.200 Personen konnte so eine überdurchschnittlich gute Besuchszahl erreicht werden.

„10 Jahre MKdW – Meisterwerke“ im Museum Kunst der Westküste

Anlässlich seines zehnjährigen Jubiläums zeigte das MKdW schließlich die Ausstellung „10 Jahre MKdW – Meisterwerke, die einen Querschnitt durch das thematische, motivische und stilistische Spektrum der Sammlung bot und gleichzeitig die besondere, kunsthistorische Bedeutung der einzelnen Werke würdigte. Von Max Liebermann waren Werke aus unterschiedlichen Schaffensphasen vertreten – ausgehend von seinen ersten Aufenthalten an der niederländischen Nordseeküste bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges, mit dem weiteres Reisen in die Niederlande unmöglich geworden war. So durften in der Überblicksschau auch die „Tennisspieler am Meer – 1. Fassung“ nicht fehlen – denn das Gemälde nimmt nicht nur im Œuvre Max Liebermanns selbst, sondern seit dem Ankauf auch innerhalb der Museumssammlung eine Schlüsselrolle ein. Indem das Werk den grundlegenden inhaltlichen und stilistischen Wandel im Werk Liebermanns nach 1900 markiert und sich in der innovativen Motivwahl seine künstlerische Originalität erkennen lässt, kann es wahrlich als ein „Meisterwerk“ gelten.

Ausstellungsansichten „10 Jahre MKdW – Meisterwerke“, Museum Kunst der Westküste, Alkersum/Föhr, Foto: Lukas Spörl.

Klara Scheuren war von 2018 bis 2020 wissenschaftliche Volontärin und anschließend wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum Kunst der Westküste auf Föhr.


[1] Vgl. Maibaum, Katrin: Jozef Israëls und Max Liebermann – Eine Künstlerfreundschaft, in: Ausst. Kat. Meisterwerke, hrsg. von Ulrike Wolff-Thomsen, Wienand-Verlag, Köln 2019, S. 259.

[2] Vgl. Hansen, Dorothee: Max Liebermann. Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport. Eine Einführung, in: Ausst. Kat. Max Liebermann. Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport, hrsg. von Dorothee Hansen und Martin Faass, Hirmer-Verlag, München 2016, S. 13.

[3] Hansen, Dorothee: Lawn-Tennis. Ein neuer Sport als modernes Pleinairmotiv, in: Ausst. Kat. Max Liebermann. Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport, hrsg. von Dorothee Hansen und Martin Faass, Hirmer-Verlag, München 2016, S. 100.

[4] Heute Kunstmuseum Den Haag.

[5] Vgl. Hansen, Dorothee: Lawn-Tennis. Ein neuer Sport als modernes Pleinairmotiv, in: Ausst. Kat. Max Liebermann. Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport, hrsg. von Dorothee Hansen und Martin Faass, Hirmer-Verlag, München 2016, S. 100.

[6] Vgl. Hansen, Dorothee: Max Liebermann. Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport. Eine Einführung, in: Ausst. Kat. Max Liebermann. Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport, hrsg. von Dorothee Hansen und Martin Faass, Hirmer-Verlag, München 2016, S. 13.

[7] Vgl. ebd., S. 14.

[8] Vgl. Hansen, Dorothee: Lawn-Tennis. Ein neuer Sport als modernes Pleinairmotiv, in: Ausst. Kat. Max Liebermann. Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport, hrsg. von Dorothee Hansen und Martin Faass, Hirmer-Verlag, München 2016, S. 93.