Oberbürgermeister Paul Werner und seine Rolle beim Aufbau der Cottbuser Carl-Blechen-Sammlung

Im Rahmen unserer Ausstellung „Carl Blechen. Das Einfachste und daher Schwerste“ berichtet Dr. Christian Katschmanowski, Kuratorischer Mitarbeiter in der Stiftung-Fürst-Pückler Museum Park und Schloss Branitz, über die Anfänge der Carl-Blechen-Sammlung. Welche Rolle nahm dabei der damalige Oberbürgermeister Paul Werner ein? Für die Dokumentation und Rekonstruktion der Sammlungsanfänge sind die vom Blechen-Kenner Guido Joseph Kern (1878-1953) geführten noch heute im Cottbuser Stadtarchiv erhaltenen Blechen-Fotoalben wertvolle Quellen.

Die Wahl von Paul Werner zum neuen Cottbuser Oberbürgermeister am 3. Mai 1892 hatte für die Entwicklung des Kunststandortes Cottbus weitreichende Folgen. Auf die Initiative des Juristen und vorherigen ersten Bürgermeisters von Hamm ging die Gründung der Carl-Blechen-Sammlung der Stadt Cottbus zurück.[1] Zu den frühesten, bislang jedoch kaum beachteten Erwerbungen aus der Anfangszeit der Sammlung zählen zwei Alben mit Fotografien von Werken Carl Blechens, die eine wichtige Grundlage für die weitere Auseinandersetzung mit dem Künstler in Cottbus darstellten. Werners Rolle beim Aufbau der Sammlung und die zwei Fotoalben sollen nachfolgend vorgestellt werden.

Erste Ankäufe und große Ambitionen

Den Grundstein für die Carl-Blechen-Sammlung legte das Cottbuser Stadtparlament mit einem Beschluss von 1911, der den Aufbau einer Sammlung des gebürtigen Cottbuser Malers vorsah und hierfür 1.000 Mark zur Verfügung stellte. Dass das Startkapital zu niedrig war, war angesichts der hohen Preise, die für Werke Blechens auf dem freien Markt gezahlt wurden, schnell klar, sodass es bis 1913 auf insgesamt 8.309 Mark erhöht wurde.[2] Der Zuschuss erfolgte in Hinblick auf eine große Auktion beim Kunstantiquariat von Amsler & Ruthard im selben Jahr, bei der zahlreiche Blechen-Werke aufgerufen wurden. Da nur vergleichsweise wenige Zeichnungen und Gemälde Blechens den Weg in private Hände gefunden hatten, stellte dieses Angebot von Werken aus Berliner Privatbesitz eine einzigartige Chance dar. Oberbürgermeister Werner war persönlich anwesend und als Bieter aktiv, wie seinen zahlreichen handschriftlichen Notizen im Auktionskatalog zu entnehmen ist.[3]

Seine Fahrt nach Berlin hat sich gelohnt: Für 3.936 Mark ersteigerte Werner 11 Arbeiten auf Papier und Leinwand. Noch im selben Jahr konnten drei weitere Gemälde aus der Berliner Kunsthandlung Viktor Rheins hinzugekauft werden.[4] Für das erste Halbjahr des Folgejahres wurden weitere Gemälde erworben, darunter drei Ölstudien von Johann Christian Dahl und Franz Krüger. Die Ausgaben wurden nicht nur von der Stadt getragen, sondern kamen auch aus privater Hand.[5] Hervorzuheben ist dabei die von der Witwe des Stadtverordnetenvorsteher Paul Grosche gegründete Grosche-Stiftung, die mit einem Kapital von 4.000 Mark ausgestattet war, welches explizit für den weiteren Ankauf von Blechen-Gemälden und seinen Zeitgenossen durch Oberbürgermeister Werner aufgewendet werden sollte. Werners Reputation in der Stadt war exzellent. Seinem Engagement war es zu verdanken, dass in der wirtschaftlich prosperierenden Stadt tiefgreifende städtebauliche Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt wurden und Cottbus zur modernen Großstadt aufstieg. In diese Aufbruchsstimmung kurz vor dem Ersten Weltkrieg reihte sich auch die Gründung der städtischen Kunstsammlung ein.

Die Blechen-Alben von Guido Joseph Kern im Cottbuser Stadtarchiv

Die frühen Ankäufe für die Sammlung sind bemerkenswert und ambitioniert, da sie nicht nur Kunstwerke, sondern auch Reproduktionsgrafiken und zwei Sammelalben mit Reproduktionen von Blechen-Gemälden umfassten.[6]

Stadtarchiv Cottbus, Kern-Album V

Die noch nicht hinreichend gewürdigten Fotoalben befinden sich im Cottbuser Stadtarchiv. Zusammengestellt hat sie der junge Kunsthistoriker, Blechen-Kenner und seit 1913 Kustos der Berliner Nationalgalerie, Guido Joseph Kern[7], der mehr als zwei Jahrzehnte lang als wichtigster Berater der Cottbuser Oberbürgermeister in Kunstfragen tätig war.

Die zwei mit Karl Blechen IV und Karl Blechen V bezeichneten, in karmesinroten Einbänden eingeschlagenen Alben enthalten zusammen 191 eingeklebte Schwarz-Weiß-Fotografien von Carl Blechen-Gemälden und Grafiken, die Kern in Vorbereitung für seine reich bebilderte Blechen-Monografie zwischen 1908 und 1911 zusammengestellt hat.[8]

Stadtarchiv Cottbus, Kern-Album IV, Fol. 29 r. Das Gemälde Felsen an der rügenischen Küste wurde 1938 in der Galerie Dr. W. A. Luz in Berlin für die Stadt Cottbus angekauft.

In einem gesonderten Kapitel sind zudem 16 Fotografien von Werken aufgeführt, die „Blechens historische Stellung innerhalb der neuzeitlichen impressionistischen Malerei aufzeigen sollen, darunter Werke von Claude Joseph Vernet, Claude Lorraine und William Turner. Unter den Abbildungen sind in der Regel handschriftlich mit Tinte der Titel und der Standort aufgeführt.

Carl Blechen: Kreidefelsen auf Rügen, 1828, Öl auf Papier auf Leinwand, 27,5 × 34,3 cm, Carl-Blechen-Sammlung der Stadt Cottbus bei der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz

Zu einem späteren Zeitpunkt, 1937, hat Kern die Bände erneut bearbeitet und unter einige Fotografien Ergänzungen hinzugefügt.[9] Bei dem ursprünglich Carl Blechen zugeschriebenen Werk „Kreidefelsen auf Rügen“ von Caspar David Friedrich aus der Sammlung Freund, heute im Kunst Museum Winterthur, ließ er es sich beispielsweise nicht nehmen, mit Datum vom 14. Juni 1937 die Zuschreibung des Werkes an Friedrichs als sein Verdienst hervorzuheben.

Für den Aufbau der Carl Blechen-Sammlung in Cottbus waren die beiden Bände Gold wert, da sie die bislang umfangreichste Zusammenstellung von Blechen Werken in guter Reproduktionsqualität enthielten. Werner sorgte mit dem Ankauf der Alben dafür, dass in Cottbus erstmals eine wissenschaftlich fundierte Bildgrundlage für die weiteren Ankäufe vorlag. Mit dem Erwerb der Alben ist ihm somit ein echter Wissenstransfer gelungen, der die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Carl Blechen auch in Cottbus ermöglichte.

Dr. Christian Katschmanowski ist Kuratorischer Mitarbeiter der Kunstsammlungen der Stiftung Fürst-Pückler-Museum


[1] Die frühesten Kunstankäufe der Stadt Cottbus sind aufgeführt im: Verzeichnis der von der Stadt erworbenen Gemälde und Zeichnungen etc., o. J. [1912/1913], 15 Blatt, Archiv der SFPM. Zur Geschichte der Carl-Blechen-Sammlung siehe: Schneider, Beate: “Sehen, sehen und zeichnen, sehen und malen: das allein war sein Leben“ Die Cottbuser Sammlung Carl Blechen, in: Carl Blechen und Carl Gustav Wegener im Dialog. Romantik und Realismus in der Landschaftsmalerei, Berlin 2014, S. 29–35.

[2] Cottbus 1914–1936. Aus dem Entwicklungsgang einer deutschen Mittelstadt, hrsg. von Henricus Haltenhoff, Cottbus o. J. [1936], S. 168.

[3] Auktionskatalog XCVI, 1. Teil: Aquarellen Ölstudien Handzeichnungen […] aus altem Berliner Privatbesitz darunter reichhaltige Werke von Carl Blechen und Anselm Feuerbach, Amsler & Ruthardt Kunstantiquariat, Berlin, 28.–31. Oktober 1913.

[4] Stadtarchiv Cottbus, AI 13.2.2 [Rechnungsmanual]. Die entsprechende Akte im Stadtarchiv ist nicht auffindbar [Stand Dezember 2021]. Die gescannte Seite des Rechnungsmanuals liegt als Digitalisat der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Schloss und Park Branitz vor. Siehe hierzu auch Anm. 1.

[5] Weitere Werke kamen aus dem Nachlass des Kunstmalers Hermann Krüger und aus dem Besitz des Vereins für Heimatkunde. Ebd.

[6] Ebd. Für die zwei Alben forderte Kern nach dem Kauf eine Nachzahlung von der Stadt Cottbus über 300 Mark, welche auf Magistratsbeschluss aus dem Jahreshaushalt 1915 genommen werden sollte. AI 13.2.3., Fol. 3 r. u. v. [Abschrift vom 9. Februar 1915].

[7] Kern war aufgrund seiner Tätigkeit ab 1937 für die Kommission der Reichskammer der Bildenden Künste im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ für die Beschlagnahmung von Werken u. a. in den Museen in Bautzen, Dresden und Chemnitz verantwortlich. Zur Rolle Kerns während der NS-Zeit siehe Artinger, Kai: Bilder “ohne Herkunft”. Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Guido Joseph Kern und die Bilder von Carl Blechen in den Kunstsammlungen Chemnitz. In: Kunstgeschichte. Open Peer Reviewed Journal, 2014 (urn:nbn:de:bvb:355-kuge-403-9) [letzter Zugriff am 11.12.2021]. Zur Beraterrolle Kerns in Cottbus siehe: Ivan, Gabriela: Zur Provenienz der Ankäufe von Werken Carl Blechens für die »Städtische Bildersammlung Cottbus« von 1933 bis 1945, in: Vergewisserung. Zur Rezeptionsgeschichte der Werke Carl Blechens, hrsg. von Beate Gohrenz und Kilian Heck, Berlin 2018, S. 150–170, hier S. 154–156. Der fotografische Nachlass von Kern wird im Zentralinstitut für Kunstgeschichte aufbewahrt und enthält ca. 300–600 Fotografien, darunter auch fünf Fotografien von Blechen-Werken, die sich heute in Cottbus befinden. Freundliche Auskunft von Dr. Stephan Klingen, Zentralinstitut für Kunstgeschichte.

[8] Kern, Guido Joseph: Karl Blechen. Sein Leben und seine Werke, Berlin 1911.

[9] Stadtarchiv Cottbus, Kern-Alben Bd. IV, Fol. 289 r.