Im siebten Teil unserer Gastblogging-Reihe „Wir feiern Liebermann!“ stellt Dr. Christofer Conrad, Kurator für Malerei und Skulptur des 19. Jahrhunderts an der Staatsgalerie in Stuttgart, Liebermanns „Altmännerhaus in Amsterdam“ von 1880 vor.
Im Folgenden vergleicht er die verschiedenen Fassungen, analysiert das Stuttgarter Gemälde bis ins kleinste Detail und verortet es in der Sammlung.[...]Mehr
Im dritten Teil unserer Gastblogging-Reihe „Wir feiern Liebermann!“ widmet sich Klara Scheuren, ehemalige wissenschaftliche Volontärin am Museum Kunst der Westküste auf Föhr, Liebermanns Werk „Tennisspieler am Meer – 1. Fassung“ (1901) aus der Sammlung des MKdW. Das Gemälde ist eines der gefragtesten Leihgaben und war Teil zahlreicher Ausstellungen.
2017 war es das Titelbild der Schau „Max Liebermann – Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport“ in der Kunsthalle Bremen in Kooperation mit der Liebermann-Villa. Der öffentliche Raum war „gepflastert“ mit dem Motiv und die Ausstellung ein großer Erfolg.[...]Mehr
Das Liebermann-Gemälde “Oude Vink” aus dem Jahr 1911 zeigt eine der damals beliebtesten Caféterrassen Hollands. Dr. Lucy Watling wirft einen Blick auf die Geschichte der Gaststätte und erläutert, warum das Lokal Max Liebermann so faszinierte.
In den späten 1870er Jahren entdeckte Max Liebermann in Bayern den Biergarten als künstlerisches Motiv. Seitdem kam er immer wieder zu diesem Motiv zurück, sei es in Süddeutschland, in Hamburg, in Holland oder rund um den Wannsee. Die Werke dieser Reihe entwickelten sich im Verlauf der Jahrzehnte von realistischen Bildern rastender Arbeiter hin zu impressionistischen Darstellungen bürgerlicher Freizeit.
Einen bürgerlichen Charakter bekamen seine Motive, als er sich mit niederländischen Gartenlokalen beschäftigte. Zwischen 1895 und 1913 malte und zeichnete er zahlreiche Ausflugslokale in Holland, z. B. in Overveen, Laren, Noordwijk und Leiden. Die meisten dieser Lokale sind nicht eindeutig zu identifizieren. In seinen Bildtiteln verwies Liebermann normalerweise nur auf den Ort oder beschrieb sie allgemein: „Restaurationsgarten in Leiden“, „Biergarten in Laren“ oder einfach „Im Gartenrestaurant“.
Es gab aber ein Gartenlokal, das Liebermann in seinen Werken stets namentlich nannte: De Oude Vink – „der alte Fink“. Es war ein Ausflugslokal am südwestlichen Stadtrand Leidens, in prächtiger Lage, wo an einer Biegung der Korte Vliet-Kanal in den Rhein mündet. Liebermann besuchte das Restaurant offensichtlich mehrfach und brachte es dreimal auf die Leinwand.
Es war die herrliche Aussicht auf den Rhein, die schon im 15. Jahrhundert zahlreiche Besucher aus Leiden zum nahelegenden Dorf De Vink gelockte hatte. Bald wurde an dieser Stelle eine Gaststätte errichtet, die während des 19. Jahrhunderts immer beliebter wurde und die mit Bootsvermietung und einem kleinen Karussell zusätzliche Attraktionen bot. Die große Eisenbahnbrücke, die nur wenige Meter von der Terrasse entfernt den Fluss überspannte, und die Bahntrasse taten der zunehmenden Beliebtheit des Restaurants keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Dank der Eisenbahn wurde es für die Bürger Leidens noch einfacher, einen Tag bei De Oude Vink zu verbringen.
Es war wohl im Sommer 1905, als Liebermann zum ersten Mal das Restaurant besuchte, auf der Rückreise von Amsterdam, wo er gerade eine Reihe von Bildern der Amsterdamer Judengasse gemalt hatte. Der Künstler war ganz offensichtlich von dem Restaurant so fasziniert, dass er im Spätsommer 1905 seine erste Ansicht der Caféterrasse De Oude Vink malte. Das Bild wurde im November desselben Jahres in der Galerie Paul Cassirer in Berlin ausgestellt und befindet sich heute im Kunsthaus Zürich. Mit leuchtenden Grüntönen und schimmernden Lichtflecken bannt Liebermann in diesem Gemälde die Atmosphäre eines heiteren Sommertages auf die Leinwand. Interessanterweise werden zwei typische Merkmale des Restaurants hier nicht dargestellt: die drangvolle Enge an Sommertagen und das Wasser. Im Vordergrund stehen leere Stühle und Tische und der Fluss spielt in der Komposition kaum eine Rolle. Man sieht zwar ein Boot im Hintergrund und auch die Eisenbahnbrücke am linken Rand des Bildes, das Wasser aber ist kaum zu erkennen und nur als kleinere blaue Fläche zwischen den Tisch- und Stuhlbeinen sichtbar.
Es waren vielleicht gerade diese Auslassungen, die Liebermann sechs Jahre später noch einmal dazu bewogen haben, das Motiv noch einmal und zwar ganz anders zu malen. In Liebermanns frühesten Skizzen für das 1911 entstandene Gemälde Oude Vink, wahrscheinlich im August dieses Jahres gezeichnet, wurden sowohl die Flusslandschaft als auch das Publikum zu zentralen Bestandteilen der Komposition. Die bürgerlichen Besucher auf der Restaurant-Terrasse stehen buchstäblich im Mittelpunkt des Bildes. Um sie herum biegt der Fluss als eine weite Fläche von flimmernden Farben, von dunkelgrün-rot im Vordergrund bis hin zu rosa, gelb und blau.
Das Gemälde De Oude Vink war eines der letzten holländischen Bilder Liebermanns. Im Jahr 1913 besuchte er Holland zum letzten Mal, da nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges weitere Aufenthalte nicht möglich waren. Auch nach dem Krieg reiste Liebermann nicht mehr nach Holland. Vielmehr verbrachte er seit 1914 jeden Sommer in seiner Villa am Wannsee, die 1910 fertiggestellt worden war. Hier, an Wannsee und Havel, entdeckte Liebermann in Gartenlokalen, wie dem Blockhaus Nikolskoe und dem Schwedischen Pavillon, neue Motive, mit deren Darstellung er seine Auseinandersetzung mit dem Thema bis ins Jahr 1934 fortsetzte.
De Oude Vink blieb bis in die 1930er Jahre ein beliebtes Ausflugsziel für die Bürger Leidens. Im Februar 1945 aber wurde das Restaurant bei einer Bombardierung zerstört, wohl als die Royal Air Force versuchte, die nahegelegene Eisenbahnbrücke zu treffen. 1947 wurde das Restaurant zwar wiedereröffnet, doch nach dem Tod des neuen Besitzers 1953 musste es endgültig schließen. Damit schließt auch ein Kapitel in der Geschichte der Freizeitkultur Leidens.
Autorin: Dr. Lucy Watling
Dr. Lucy Watling ist wissenschaftliche Volontärin in der Liebermann-Villa.
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