Max Liebermann und Heinrich Zille – Eine kollegiale Künstlerfreundschaft

Die aktuelle Sonderausstellung „Streit am Wannsee – Von noblen Villen und Strandbadfreuden” der Liebermann-Villa untersucht das konfliktgeladene Miteinander von Villenbesitzern am Wannsee und den ausgelassenen Besuchern des gegenüberliegenden Strandbades. Liebermanns Darstellungen idyllischer Gärten werden dabei den schonungslosen Darstellungen der einfachen Menschen des Arbeiterviertels von Heinrich Zille gegenübergestellt.

Trotz unterschiedlicher gesellschaftlicher Stellung und künstlerischer Ausdrucksformen verband beide Künstler eine langjährige kollegiale Freundschaft. Zum 80. Geburtstag schenkte Zille Liebermann die unten abgebildete Zeichnung, die den Impressionisten als einen allseits beliebten Künstler und umringt von neugierigen und heiteren Menschen aus Zilles sogenanntem „Milljöh“ darstellt. Angesichts dieser späten freundschaftlichen Geste bleibt zu hinterfragen, welche Umstände die beiden Männer zusammenbrachten und wodurch sich ihre andauernde Beziehung auszeichnete.

Heinrich Zille, Geburtstagsblatt für Max Liebermann, 20. Juli 1927
© Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin

Um 1900 lernte Zille die zehn Jahre jüngeren Bildhauer August Gaul und August Kraus kennen, die ihn an die Berliner Künstlerkreise heranführten. Es folgten gemeinsame Stunden des Aktzeichnens, Kegelabende und Atelierfeste, die er gelegentlich mit seiner Handkamera festhielt. Das neue Umfeld aus angesehenen Künstlern motivierte ihn, sein außergewöhnliches Talent zu nutzen und auszubauen, woraufhin es Zille schließlich gelang, sich mit seinen Fotografien und seinen teils grotesken Zeichnungen des „dunklen Berlin” einen Namen zu machen.

Heinrich Zille, Figurengruppe am Strand, 1911
© Stiftung Stadtmuseum Berlin

Unterdessen förderte Max Liebermann als Präsident der Berliner Secession die damals moderne und impressionistische Kunst und organisierte bahnbrechende Ausstellungen, an denen sich auch Zille ab 1901 regelmäßig beteiligte. Als er an der ersten Schwarz-Weiß-Ausstellung mit einigen seiner besten Grafiken teilnahm, erschienen viele der sonst desinteressierten Besucher allein seinetwegen. Doch die positive Resonanz auf Zilles humoristische Arbeiten führte zu Neid und Missgunst unter den Secessions-Kollegen. Der Präsident Max Liebermann ließ aber nichts auf Heinrich Zille kommen und setzte sich äußerst lebhaft für seinen Kollegen ein. Seine große Wertschätzung für den umstrittenen Zille zeigte sich erneut, als er diesen 1910 für den Menzelpreis des Berliner Ullsteinverlags, ausgelobt für die beste Zeichnung, und 1913 als Vorstandsmitglied der neu gegründeten Freien Secession vorschlug.

Bis in die späten Lebensjahre stand ihm Liebermann unterstützend zur Seite. 1924 sorgt er dafür, dass der Zeichner in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen wird. Für Zilles „Berliner Geschichten und Bilder” aus dem Jahr 1925 verfasste er, auf Wunsch des Verlegers, einige einleitende und wohlwollende Worte über den scharfsinnigen Humor des Künstlers. Statt sich dem Elend der Arbeiterviertel mit Abscheu oder Gleichgültigkeit zu nähern, empfinde Zille Mitgefühl für die Armen und Vergessenen:

„Das große Mitleid regt sich in Ihnen, aber Sie beeilen sich, wie Figaro sagt, darüber zu lachen, um nicht gezwungen zu sein, darüber zu weinen. Wir spüren die Tränen hinter Ihrem Lachen. […] Und diesem Humor, der so selten ist wie ein weißer Rabe, verdanken Sie Ihre Popularität und Ihre Größe als Künstler.“

Die Sonderausstellung „Streit am Wannsee. Von noblen Villen und Strandbadfreuden” ist noch bis zum 3. Oktober 2017 in der Liebermann-Villa zu sehen.


Autorin: Caroline Knopke

Caroline Knopke studiert Kunstwissenschaft an der TU Berlin und absolviert ein Praktikum in der Liebermann-Villa