„Hast du gelesen“, schrieb Max Beckmann am 21. Dezember 1916 an seine Frau Minna, „dass, erschrick nicht, Rösler gestorben ist? (…) Der arme Kerl. Ein Stück unserer Jugend geht damit auch hin!“
Schon vor ihrem ersten Treffen waren die Lebenswege von Beckmann und Rösler bemerkenswert ähnlich. Beide waren Anfang der 1880er Jahre in mittelgroßen ostdeutschen Städten geboren: Rösler 1882 in Dresden, Beckmann 1884 in Leipzig. Wie damals üblich erhielten beide Künstler eine akademische Ausbildung: Beckmann in Weimar und Rösler in Königsberg. Und beide haben im Jahr 1906 Künstlerinnen geheiratet, die sie an der Akademie kennengelernt haben: Rösler, die in Ostpreußen geborene Oda Hardt, und Beckmann, die Malerin Minna Tube. Kurz nach dem Studium wurden Rösler und Beckmann in ähnlicher Weise von der Kunstmetropole Berlin angelockt und konnten sich nur Wohnungen in den Vororten leisten: Beckmann in Hermsdorf, und Rösler in Lichterfelde. Trotz finanzieller Schwierigkeiten gründeten beide Künstlerpaare in Berlin ihre Familien. Die Zwillinge von Oda und Waldemar Rösler wurden 1907 geboren, Max und Minnas Sohn Peter im Jahr 1908.
Ihre Lebensumstände waren so ähnlich, dass sich die zwei Künstler in Berlin bald kennenlernten. Max Beckmann wurde 1907 Mitglied der Berliner Secession, als Rösler seine erste Arbeit auf Papier bei der Secession ausstellte. Bis spätestens Juli dieses Jahres waren die zwei Künstler eng miteinander befreundet.
Im Jahr 1909 trat Rösler ebenfalls der Secession bei, und in den Jahren 1910 und 1911 waren die Werke beider Künstler zusammen in verschiedenen Berliner Ausstellungen zu sehen. Trotz ihrer inhaltlichen Unterschiede – Beckmann zum Beispiel beschäftigte sich hauptsächlich mit Figur-Darstellungen während Rösler sich auf Lichterfelde Landschaften konzentrierte – wurden die zwei Künstler sehr oft in der zeitgenössischen Kritik miteinander verglichen, und zwar oft zugunsten Röslers. „Rösler steht“ schrieb der Kritiker Kurt Scheffler 1912, „ungefähr zwischen Th. von Brockhusen und Max Beckmann … mit Beckmann verbindet ihn eine charakteristische moderne Romantik … Rösler ist jedoch erfolgreicher als seine beiden talentvollen Genossen, weil er seine Mittel besser zu organisieren versteht“.
Für andere Kritiker aber waren beide Künstler gleichermaßen Vertreter der neuesten Entwicklungen innerhalb der Secession. „Wie auf anderem Wege Max Beckmann“ schrieb Kurt Bender 1911 in der Zeitschrift Deutsche Kunst und Dekoration, „so eilt Waldemar Rösler mit weiten Schritten dem üblichen Nachwuchs der Berliner Secessionistenschule voraus, und heute schon ist es erlaubt, die beiden Künstler als die Wortführer einer jungen und aufstrebenden Generation zu nennen, die ihre Kräfte zu spüren und einen Platz für sie zu beanspruchen beginnt“.
Es ist vielleicht das großformatige Gemälde Gesellschaft II (heute Kunstmuseum Moritzburg, Halle), in dem die Verbindung zwischen Beckmann und Rösler ihren stärksten Ausdruck findet. Hier stellte Beckmann eine Gruppe von acht Menschen dar: die wichtigsten Personen aus seiner Familie und seinem sozialen Umkreis. Sitzend links sehen wir Minna Beckmann-Tube; neben ihr der dreijährige Sohn Peter. Stehend hinter ihr ist vermutlich der Künstler Max Neumann dargestellt. Der stehende Herr mit hellem Bart ist der Verleger Eduard Wilhelm Tieffenbach; ganz rechts stehend ist die Malerin Sophie Meyer Schocken zu sehen.
Dominiert wird die Szene aber von Oda Rösler. Sie sitzt in der Mitte und ist an ihren dunklen Haaren und der markanten Augenpartie gut zu erkennen. Oda sitzt wie eine Königin in ihrem hellfarbenen Kleid, ihre Höflinge um sich, dunkel gekleidet: Sie ist die Drehachse, um die sich diese soziale Welt dreht. Weniger offensichtlich aber genauso wichtig ist die Darstellung von Waldemar Rösler in diesem Gemälde. Gefragt von dem Kunsthistoriker Hans Kaiser im Jahr 1913 erklärte Beckmann, dass die zwei Figuren ganz im Hintergrund Max Beckmann und Waldemar Rösler seien. Beckmann steht mit dem Rücken zum Betrachter, offenbar mit Rösler tief im Gespräch; die Gesichter beider Männer sind aber nicht zu sehen. Das Bild zeigt deutlich Röslers Rolle als Freund und Vertrauten Beckmanns.
Zu Beginn des ersten Weltkrieges wurden sowohl Beckmann als auch Rösler zum Kriegsdienst einberufen. Die zwei blieben trotzdem noch im Kontakt – „Kopf hoch und nicht zu mutig“ schrieb Beckmann an Rösler am 25. November 1914, „wir brauchen Sie noch im Frieden!“. Der Krieg war es aber, der die Lebenswege der Künstler endgültig trennte. Rösler konnte den Schrecken des Kampfes nicht überwinden. Er beging Selbstmord am 14. Dezember 1916. Damit fand die Freundschaft zwischen Beckmann und Rösler ein abruptes Ende.
Autorin: Dr. Lucy Watling
Dr. Lucy Watling ist wiss. Volontärin der Liebermann-Villa
Veranstaltungstipp: Über die Künstlerfreundschaft zwischen Max Beckmann und Waldemar Rösler hält Dr. Andreas Hüneke (FU Berlin) am 9. November um 19 Uhr einen Bildvortrag in der Liebermann-Villa.
Tickets: 6 € / 4 € erm.