Dr. Julia Klarmann begleitete für die Liebermann-Villa Kunstwerke zur Ausstellung “The Era of Passion” in Südkorea.
Vorgestern Abend bin ich wieder heil in Frankfurt gelandet und versuche nun mit ordentlichem Jetlag einen kleinen Bericht zur Aufbauwoche im Province Art Museum of Jeonbuk zu geben:
Alle Berliner Leihgaben hängen sicher an den Wänden bzw. zwei der kleinsten Werke (kleiner als 35 cm) werden in einer Vitrine präsentiert – das Team von „ArtTrans“ (mit etwa zehn Mitarbeitern) begleitete die Werke vom Cargobereich in Seoul bis zur Hängung und Beleuchtung in den vier Ausstellungssälen. Hier wurde sehr professionell, umsichtig und für meine Begriffe in beeindruckender Schnelligkeit gearbeitet. Mit höchster Konzentration und wenig Worten wurden die Werke ausgepackt, protokolliert, fotografiert, gestellt, gehängt und beleuchtet. „Marco“, der Kurier aus dem Museo de Bellas Artes in Venezuela und ich konnten alles begleiten, überwachen und zu guter Letzt die Beleuchtung überprüfen.
Die Tage waren intensiv: um 8.30 Uhr wurden wir von einem Mitarbeiter des Museums im Hotel in Jeonju abgeholt. Zwischen 12 und 13 Uhr gab es eine Mittagspause, in der wir zu dem wirklich köstlichen koreanischen Essen eingeladen wurden. Im Keller des Museums befindet sich eine Küche, in der uns eine koreanische Küchenfee Selbstgemachtes servierte: auf einfachen, bunten Plastikhockern ließen wir uns das Mahl schmecken. Wir Langnasen waren manchmal etwas überfordert, was die Schärfe des Essens oder auch bloß das Essen mit Stäbchen anging, aber die aufmerksamen Koreaner wissen gekonnt, solch unangenehmen Situationen zu entschärfen, indem sie einem unauffällig eine Gabel reichen.
Der anstrengendste Tag war am Samstag, 18.10., an dem der „schedule“ (Zeitplan) vorgab, alle rund 51 Leihgaben (inklusive zwei Gemälden aus dem Bröhan Museum) aus Berlin zu protokollieren. Ich hatte abends nicht nur Rückenschmerzen, sondern musste mir von jedem sagen lassen, wie müde ich aussähe und ja solche Augenringe hätte. Wurde also gegen 19.30 Uhr ins Hotel gebracht, während das Museumteam bis 22 Uhr weiterarbeitete. Keiner der koreanischen Kollegen ließ sich auch nur ansatzweise anmerken, dass diese Tage sehr anstrengend waren – mit unermüdlicher Tüchtigkeit haben sich alle mit 100%igem Einsatz engagiert. Sind wir Europäer so viel wehleidiger oder war es nur die Anspannung und die weite Reise an sich, die mir noch in den Knochen steckte?!
Nun waren unsere Kurier-Tätigkeiten soweit abgeschlossen und mit einem guten Gefühl konnte ich mit dem Fernbus nach Seoul aufbrechen. Sujung, meine Ansprechpartnerin Nr. 1, ihre junge Kollegin und Chief Curator Choe Hyeong Soon begleiteten uns zum Busterminal. Schnell wurde für uns noch ein kleines Lunch-Packet eingekauft, man kann die Gäste ja nicht ohne Verpflegung auf Reisen schicken. „Fernbus“, was muss man sich hierunter vorstellen? Tja, auch hier bietet Korea großen Luxus: auf breiten dunkelroten Ledersesseln kann man sichs da gemütlich machen und die schöne Landschaft an einem vorbeiziehen lassen: überall Reisfelder, die zur Erntezeit in einem schönen Ockerton erscheinen, überall Berge, ab- und an ein Kaki-Baum (auf koreanisch „gam“; eines der wenigen Wörter, die ich gelernt und vor allem auch behalten habe…).
Soul.
Was für eine Stadt!!! Wir zwei Kuriere wurden von Ana (President of Gallery Banditrazos) und Kim Steve (Gaudiüm) am Busterminal in Empfang genommen. Abends waren Esther Lee und ich zum Abendessen verabredet: wir trafen uns in einem sehr stylischen Restaurant im Industriedesign (gewisse Ähnlichkeiten mit schwedischen Design, fand ich); vom koreanischen Essen kann ich wieder nur schwärmen, diese verschiedenen Geschmäcker, die gekonnte Mischung aus würzigen, scharfen (Kimchi) und frischen Zutaten…im Anschluss machten wir einen Ausflug (mit Seilbahn und Lift) auf den N Seoul Tower (der Fernsehturm), um ein Gefühl für die Ausmaße dieser Mega-city zu bekommen. Wir blickten auf ein funkelndes Lichtermeer und es war kaum zu glauben: Straßenschluchten, Häuser, Fassaden, Autolichter soweit das Auge reichte, GIGANTISCH!
Am nächsten Tag besuchten mein Kollege aus Venezuela und ich das National Museum of Contemporary Art, das uns von mehreren Leuten empfohlen wurde: gleich im ersten Raum trafen wir auf bekannte deutsche Künstler wie Jörg Immendorf oder Anselm Kiefer. Die Sammlung des Museums umfasst herausragende Werke (süd-)koreanischer und internationaler Künstler. Besonders fasziniert waren wir von einer hängenden, beweglichen Plastik von Lee Bul, einer der prominentesten koreanischen Künstlerinnen, die seit den 1990er Jahren sehr erfolgreich ist.
Um 13.00 Uhr waren wir in der Lobby des Hotels verabredet, um mit dem Guide, Kim Steve, den Palastdistrikt mit „Secret Garden“, die Sehenswürdigkeit Nr. 1 zu besichtigen. Leider regnete es den ganzen Tag in Strömen, so dass uns ein Alternativprogramm geboten wurde. Nach einem gemeinsamen Mittagessen mit Dr. Edgar Gonzàlez, dem Präsidenten der Fundación der Museos Nacionales in Venezuela, der an der Universität der Künste Berlin promovierte und daher neben Koreanisch, Englisch, Französisch und Spanisch nun auch noch Deutsch als Kommunikationsmittel mit ins Spiel kam, sind wir zu einer Erkundungstour des Leeum Museum of Art aufgebrochen, das sich am Ende der „Lastergasse“ Itaewons befindet. Was für eine überwältigende Architektur: drei Komplexe gebaut von den Architekten Jean Nouvel, Mario Botta und Rem Koolhaas. Wir fuhren mit dem großen KIA ins Parkhaus – unser Fahrer musste aber nicht durch enge, gewundene Fahrbahnspiralen zirkeln (immer mit der Gefahr, irgendwo das nagelneue Auge zu schrammen, wie man das aus gewöhnlichen deutschen Parkhäusern kennt). Nein, hier gab es einen Auto-Aufzug: wir hielten vor einer eisernen Tür, auf Knopfdruck öffnete sich das Tor, wir fuhren in einen mit Spiegel verkleideten Raum und der Auto-Lift hievte uns auf die Ausstellungsetage. Nachdem das Auto geparkt war, betraten wir den Eingangsbereich. Ausgestattet mit dem neuesten Samsung-Gerät (Audioguide) konnten wir in aller Ruhe die erstklassige Sammlung des Hauses bestaunen. Und aus dem Staunen sind wir im wortwörtlichen Sinne auch nicht mehr herausgekommen: es fing schon mit der mehr als benutzerfreundlichen Bedienung des Audio-Guides an: das Gerät erkannte über gps, vor welchem Objekt man sich befand und legte mit seinen Erklärungen los. Wenn einem dies zu langwierig wurde, konnte man natürlich auch die „quick tour“ gewählt werden…Nach dem 2-stündigen Rundgang leuchtete mir ein, was in meinem Reisehandbuch geschrieben stand: hier handelt es sich weniger um ein Museum als um einen an „Kreativität kaum zu überbietenden Kunstkomplex“. Wer bei einem Seoul-Besuch nur Zeit für ein Museum hat, ist gut beraten, dieses vom Samsung-Konzern gesponserte Haus aufzusuchen.
Nach einer kurzen Erholungspause im Hotel wurden wir abends zu einer „tour by night“ begleitet: am meisten hat mich das spacige „ddp“ (Dong-dae-mun Design Plaza) umgehauen, das von Zaha Hadid gebaut und im März 2014 eröffnet wurde.
Ich habe mich buchstäblich überwältigen lassen von all den vielseitigen, bunten und ungewöhnlichen Erlebnissen, die mir in einer Woche Südkorea geboten wurden.
Autorin: Dr. Julia Klarmann
Dr. Julia Klarmann ist wissenschaftliche Volontärin in der Liebermann-Villa am Wannsee