Liebermanns „Altmännerhaus in Amsterdam“. Von der Studie zum impressionistischen Meisterwerk

Max Liebermann, Altmännerhaus in Amsterdam, 1880. Öl auf Leinwand, 87,5 x 61,40 cm, Staatsgalerie Stuttgart, erworben 1903, zwangsweise getauscht 1937, zurückerworben 1953. Inv. Nr. 2421 Foto: © Staatsgalerie Stuttgart

Im siebten Teil unserer Gastblogging-Reihe „Wir feiern Liebermann!“ stellt Dr. Christofer Conrad, Kurator für Malerei und Skulptur des 19. Jahrhunderts an der Staatsgalerie in Stuttgart, Liebermanns „Altmännerhaus in Amsterdam“ von 1880 vor.

Im Folgenden vergleicht er die verschiedenen Fassungen, analysiert das Stuttgarter Gemälde bis ins kleinste Detail und verortet es in der Sammlung. [...]  Mehr

Eine Schenkung zum Jahresende

Ein Mitglied der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin hat im Nachverkauf des Auktionshauses Grisebach ein Selbstporträt von Max-Liebermann gesehen und sofort gedacht: Das gehört in die Liebermann-Villa! – Gedacht, getan. Seit letzter Woche ist das Blatt in der Liebermann-Villa, als Schenkung!

Die Auktionstage der Villa Grisebach Anfang Dezember waren gerade vorüber, da erhielt ich ganz unvorbereitet einen Anruf: „Ich bin hier in der Villa Grisebach“, hörte ich aus dem Hörer. „Hier gibt es im Nachverkauf ein Liebermann-Porträt, das unbedingt in die Villa gehört. Kennen Sie das? Wollen Sie das haben, als Dauerleihgabe? Ja? Dann kaufen wir das.“ – Was für eine wunderbare Überraschung zum Jahresende! Natürlich habe ich sofort „Ja“ gesagt. Am letzten Samstag hatten wir uns dann zur Übergabe verabredet und ein freundliches Ehepaar brachte das wohl verpackte Werk an den Ort seiner Bestimmung, „als Geschenk“, wie sie betonten, denn in der Liebermann-Villa solle es schließlich ja auch bleiben.

Max Liebermann,Selbstporträt, 1912
© Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin

Die mit goldener Berliner Leiste gerahmte Zeichnung ist eines der ausdrucksstarken Selbstporträts des Malers. Es zeigt Max Liebermann in der für viele Selbstporträts typischen Kombination von dunklem Anzug und Malerkittel, als Künstler und Großbürger in einer Person. Den Skizzenblock in der einen Hand, den Kohlestift in der anderen Hand schaut der Maler mit leicht geneigtem Kopf und kritischem Blick aus dem Bild heraus. Bei näherer Betrachtung wird klar, dass er sein Spiegelbild mustert, das er gerade abzeichnet. Denn die Zeichnung gibt Liebermann im Spiegel wieder, und deshalb hält er den Zeichenstift auch in der linken Hand, obwohl er tatsächlich Rechtshänder ist. Die Zeichnung stammt aus dem Jahr 1912 und zeigt Liebermann so, wie wir ihn auch aus dem großen Selbstporträt von 1910 aus der Sammlung der Hamburger Kunsthalle kennen.

Das Blatt ist dem marxistischen Kulturwissenschaftler, Historiker und Liebermann-Sammler Eduard Fuchs gewidmet:„Eduard Fuchs in Daumier vereint M. Liebermann“, der wegen seiner dreibändigen „Geschichte der erotischen Kunst“ seinerzeit auch „der Sittenfuchs“ genannt wurde. Fuchs war zunächst in München Redakteur des Südddeutschen Postillon, einer satirische Wochenzeitschrift, und saß wegen der Veröffentlichung von Karikaturen, die als Majestätsbeleidigung angesehen wurden, mehrere Monate im Gefängnis. 1901 kam er nach Berlin, wo er als Redakteur des Vorwärts arbeitete. Intensiv beschäftigte er sich mit der Geschichte der Karikatur und veröffentlichte zahlreiche Bücher darüber. Grundlage war eine umfangreiche Sammlung der Werke von Honoré Daumier und anderer Karikaturisten. Seine Sammlung umfasste 20.000 Karikaturen und Zeichnungen, darunter mehr als 6.000 Grafiken und ein gutes Dutzend Gemälde von Honoré Daumier. 1914 reiste Fuchs zusammen mit dem befreundeten Maler Max Slevogt nach Ägypten. Durch seinen publizistischen Erfolg war es Fuchs möglich, eine umfangreiche Kunstsammlung aufzubauen und die Villa Perls in Berlin Zehlendorf, Hermannstraße 14, zu kaufen. Er besaß 19 Bilder von Max Liebermann und 45 seines Freundes Max Slevogt, darüber hinaus Gemälde von Jean-Honoré Fragonard, August Delacroix, Pierre-August Renoir sowie Skulpturen von August Rodin, Aristide Maillol und Alexander Archipenko.

Liebermann fühlte sich Eduard Fuchs, wie die Widmung deutlich macht, durch die gemeinsame Leidenschaft für den Karikaturisten Honoré Daumier verbunden. Denn auch Liebermann besaß mit rund 3.000 Drucken, zum Teil auf Spezialpapier, eine beachtliche Daumier-Sammlung. Ganz abgesehen davon war Fuchs, wie aus der großen Anzahl von Liebermann-Werken in seinem Besitz hervorgeht, ein guter Kunde des Malers. Nicht unwahrscheinlich ist es daher, dass Liebermann das Blatt, wie in ähnlichen Fällen, als kleine Aufmerksamkeit an Eduard Fuchs gegeben hat oder dass er es im Rahmen eines größeren Verkaufsgeschäfts dem Sammler verehrte.

Seit gestern ist das Selbstporträt aus der Sammlung Fuchs in der Ausstellung der Liebermann-Villa zu bewundern. Der Vorstand der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin sagt „Herzlichen Dank“ für dieses großzügige Geschenk.

Autor: Dr. Martin Faass

Dr. Martin Faass ist Direktor der Liebermann-Villa am Wannsee