Vom 5. Bis 6. März 2018 fand in Oxford eine Konferenz über „Jewish Country Houses“ statt, veranstaltet von der Universität Oxford und dem National Trust. Eingeladen waren Wissenschaftler aus England, den USA, Deutschland, Österreich, Spanien, und Italien sowie Kuratoren bekannter „Jewish Country Houses“ aus ganz Europa. Auch die Liebermann-Villa am Wannsee fand Berücksichtigung. Die Organisatorin, Abigail Green, Professorin für Europäische Geschichte an der Universität Oxford, hatte schon im letzten Jahr Kontakt zu mir aufgenommen und mich eingeladen, die Liebermann-Villa in dem Panel „Curating the Jewish Country House“ (Das jüdische Landhaus als Museum) vorzustellen. Dieser Einladung bin ich gerne nachgekommen.
Das Country House ist als repräsentativer Landsitz des Landadels und des gehobenen nobilitierten Bürgertums eine typische englische Angelegenheit. Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und des wirtschaftlichen Erfolges bürgerlicher Unternehmer entstand ein Finanzadel mit großem politischen Einfluss, zu dem auch viele Juden gehörten. In den meisten europäischen Ländern war es für Juden überhaupt erst in dieser Zeit möglich, Staatsbürger zu werden und Grundbesitz zu erwerben. Der neue Geldadel wollte es dem alteingesessenen Adel gleich tun und mit dem Kauf, bzw. dem Bau eines Sommerhauses seinen gesellschaftlichen Führungsanspruch dokumentieren. Als eine der ersten einflussreichen jüdischen Familien setzte hier die Familie Rothschild Maßstäbe. Baron James de Rothschild, einer der reichsten Franzosen seiner Zeit, ließ sich um 1855 von dem englischen Architekten Joseph Praxton das Schloss Ferrières in Ferrières-en-Brie bauen, ein gewaltiges Château im Stile Ludwigs VI. bauen. Dieser Stil diente auch für nachfolgende Neubauten des internationalen Finanzadels als Ausdruck ihres gesellschaftlichen Machtanspruches. [...]