Wir feiern Liebermann! Vom späten Ruhm eines Gemäldes

Ausstellungsansicht „10 Jahre MKdW – Meisterwerke“, Museum Kunst der Westküste. Zwei Mädchen stehen links und rechts neben dem Gemälde der Tennisspielerinnen von Max Liebermann.

Im dritten Teil unserer Gastblogging-Reihe „Wir feiern Liebermann!“ widmet sich Klara Scheuren, ehemalige wissenschaftliche Volontärin am Museum Kunst der Westküste auf Föhr, Liebermanns Werk „Tennisspieler am Meer – 1. Fassung“ (1901) aus der Sammlung des MKdW. Das Gemälde ist eines der gefragtesten Leihgaben und war Teil zahlreicher Ausstellungen.

2017 war es das Titelbild der Schau „Max Liebermann – Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport“ in der Kunsthalle Bremen in Kooperation mit der Liebermann-Villa. Der öffentliche Raum war „gepflastert“ mit dem Motiv und die Ausstellung ein großer Erfolg. [...]  Mehr

Nach 95 Jahren zurück am Wannsee

Am 10. Juni haben wir bei bestem Wetter unsere diesjährige Sommerausstellung, „Max Liebermann und Paul Klee. Bilder von Gärten“ eröffnet. Schirmherrin der Ausstellung ist die Schweizer Botschafterin in Berlin, Christine Schraner Burgener, die Anfang Mai 2018 zur Sondergesandten der UNO für Myanmar ernannt wurde. Trotz ihrer neuen Aufgabe hat es sich Frau Schraner Burgener nicht nehmen lassen, die Ausstellung persönlich zu eröffnen. Sie hatte sich darüber hinaus eine ganz besondere Überraschung für die Eröffnung überlegt: Sie übergab das Liebermann-Gemälde „Große Seestraße“ von 1923 aus dem Besitz der Schweizer Botschaft als Dauerleihgabe an die Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin.

Enthüllung des Gemäldes “Die große Seestraße” im ehemaligen Atelier Max Liebermanns in Wannsee

Das Gemälde „Große Seestraße“ hing seit 1948 in den Räumen der Schweizer Botschaft nahe dem Reichstag. Besitzer war der damalige Schweizer Gesandte, François de Diesbach, der als Leiter der „Heimschaffungsdelegation“ der Schweiz in Berlin tätig war. Er hatte das Werk im Dezember 1948 im Auktionshaus Leo Spik für sich gekauft. Er verstarb kurz darauf, 1949, bei einem tragischen Segelunfall auf dem Wannsee. Seine Frau, eine Engländerin, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks in Großbritannien aufhielt, kehrte nicht mehr nach Berlin zurück und erbat durch die Zusendung einer Liste, die persönlichen Gegenstände ihres Mannes zurück. Das Gemälde war nicht darauf verzeichnet. Daher verblieb es im Gebäude der Schweizer Botschaft. Die Witwe von Herrn de Diesbach verstarb 1984 und hinterließ keine Kinder. Über viele Jahre hing das Gemälde in der Botschaft. Zwischenzeitlich wurde es sogar mit einer Inventarnummer des Schweizer Bundesamtes versehen. Der originale Rahmen des Gemäldes ist leider nicht mehr erhalten. Der heutige Rahmen ist aus dem Jahr 2011.

Die UNO Sondergesandte Christine Schraner Burgener, Dr. Martin Faass, Dr. Hans Gerhard Hannesen (1. Vorsitzender der Max-Liebermann-Gesellschaft) und Viktor Vavricka von der Schweizer Botschaft

Das Gemälde „Große Seestraße“ zeigt eine Ansicht der von hohen Eichen gesäumten Straße Am Großen Wannsee, an die der Staudengarten des Liebermann-Grundstücks grenzt. Bei der Übernahme ihres Amts als Botschafterin in Berlin entdeckte Frau Schraner Burgener das bedeutende Liebermann-Gemälde in den Amtsräumen. Sie war sich sofort bewusst, dass dieser besondere Schatz einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss. Kein Ort war in ihren Augen hierfür besser geeignet als die Liebermann-Villa am Wannsee, wo das Werk einst entstanden war. Bei einem persönlichen Gespräch, das im Vorfeld eines Dinners zugunsten unserer Ausstellung „Max Liebermann und Paul Klee. Bilder von Gärten“ in den Räumen der Botschaft stattfand, eröffnete mir Frau Schraner Burgener ihre großherzige Absicht im Januar 2018. Am 10. Juni war es dann endlich soweit. Nach einer wissenschaftlichen Prüfung der Provenienz und einem Beschluss des Berner Bundesrates konnte das Gemälde „Große Seestraße der Liebermann-Villa als Leihgabe übergeben werden, wo es fortan einen prominenten Platz in unserer ständigen Sammlung einnehmen wird. Die Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin dankt für diese großherzige Geste.

Autor: Dr. Martin Faass

Dr. Martin Faass ist Direktor der Liebermann-Villa

Das Gemälde der “Großen Seestraße” ist in der Dauerausstellung der Liebermann-Villa zu sehen.

Selbstbildnis eines Mannes von Welt

Seit einigen Wochen ist ein neues Selbstporträt Max Liebermanns bei uns in der Villa am Wannsee zu bewundern. Das großformatige Gemälde Selbstbildnis, stehend in Dreiviertelfigur, beide Hände in den Hosentaschen aus dem Jahr 1915 kommt als Dauerleihgabe aus der Nationalgalerie Berlin zu uns. Das Bild war fast 100 Jahre in Privatbesitz bevor es 2014 dem Museum geschenkt wurde – von den Freunden der Nationalgalerie. Jetzt ist es hier in der Liebermann-Villa im Atelier des Künstlers zu sehen.

Dauerleihgaben
Max Liebermann, Selbstbildnis, stehend in Dreiviertelfigur, beide Hände in den Hosentaschen, 1915 © SMB – Nationalgalerie – Foto: Andres Kilger

Das Selbstbildnis malte Liebermann 1915 mit Öl auf Karton. Es zeigt den Künstler, einen dunklen Anzug tragend, in einer lässigen Dandy-Pose. Der 68-jährige zeigt sich als Mann von Welt: distinguiert, vornehm gekleidet und sich seiner gehobenen Stellung bewusst. Staffelei, Palette und Pinsel fehlen, wodurch ein Hinweis auf seine künstlerische Tätigkeit fehlt.

Das Bild ist maßvoll in Weiß-, Schwarz- und Brauntönen gehalten. Die kurzen, trockenen Pinselstriche auf unbehandeltem Malgrund zeigen die ganze Könnerschaft des Künstlers. Der dunkle Anzug ist nur summarisch in breiten Strichen angedeutet. Auch der neutrale Hintergrund – oft kennzeichnend für die Porträtkunst Liebermanns – bieten keine Hinweise auf die räumliche Situation. Nur kleine Details, wie die mit wenigen Strichen angedeutete Krawattennadel in leuchtendem Gelborange, bilden farbliche Akzente, welche der Darstellung Leben einhauchen.

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Max Liebermann in seinem Atelier in Wannsee, um-1932 © MLG, Foto: Lotte Jacobi

Da die Hände in den Hosentaschen versteckt sind, wird die gesamte Aufmerksamkeit auf das Gesicht des Malers und somit dessen Persönlichkeit gelenkt. Liebermann erwidert mit kritisch prüfender Miene und hochgezogener Augenbraue den Blick des Betrachtenden. Eine derartige Körpersprache schafft Distanz zwischen Liebermann und seinem Gegenüber. Die privat anmutende Haltung jedoch wirkt wie die spontane Momentaufnahme einer Fotografie. Als bekannter Künstler und Präsident der Akademie wurde Liebermann häufig von Pressefotografen besucht,. Insbesondere in den zwanziger Jahren entstanden so zahlreiche Porträtaufnahmen, mit denen sich Liebermanns Selbstporträts zu messen hatten. Das ist vermutlich auch der Grund dafür, weshalb er sich in beiden ganz ähnlich inszenierte. Somit präsentiert sich der Künstler in diesem Selbstbildnis leger aber selbstbewusst.

Liebermann hat während seiner Karriere um die siebzig Selbstporträts gemalt – damit nehmen diese einen durchaus beachtlichen Teil seines Gesamtwerks ein. Damit fing er vergleichsweise spät an: Mit der Ausnahme eines Brustbildes als Gymnasiast 1866 und eines 1873 entstandenen Küchenstilllebens, in dem Liebermann als lachender Koch zu sehen ist, gibt es von ihm keinerlei Selbstporträts aus jüngeren Jahren. Liebermanns erstes gültiges Selbstbildnis malte er erst im Winter 1902/3, im Alter von 55 Jahren, zur selben Zeit, als er auch mit dem Malen von Porträts anderer Persönlichkeiten begann und die Bedeutung seiner Malerei allgemein anerkannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Liebermann bereits ein erfolgreicher und etablierter Künstler, Präsident der Berliner Secession und Mitglied der Akademie der Künste.

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Max Liebermann, Selbstporträt,1902, aus: Kunst und Künstler, 1903

Doch auch dieses erste Selbstporträt aus dem Jahr 1902 entstand nur auf Bitte der Direktion der Uffizien in Florenz hin, welche den Wunsch äußerte, „sein Bildnis der berühmten Sammlung von Selbstbildnissen einzureihen“, wie sein Biograf Erich Hancke berichtet. Das daraufhin entstandene Werk weist einige Gemeinsamkeiten mit dem 1915 gemalten Porträt auf: es zeigt Liebermann im Dreiviertelprofil mit einem düsteren Gesichtsausdruck und im dunklen Anzug – diesmal aber auf einem Stuhl sitzend und Zigarette rauchend. „Dieses neue Porträt musste zunächst überraschen, denn statt beweglich, geistes- und lebenssprühend, wie man den Künstler in der Vorstellung hat, zeigt es ihn ernst, beinahe angespannt dreinschauend“, bemerkt Hancke. Wohl auch aus diesem Grund bestimmte Liebermann später ein anderes Selbstbildnis (Selbstbildnis an der Staffelei nach rechts, 1908), diesmal mit Staffelei und Malwerkzeug, für die Uffizien.

Dauerleihgaben
Max Liebermann, Selbstbildnis an der Staffelei nach rechts, 1908, in: Die Kunst für alle, 1917

Ab 1910 kehrte Liebermann immer wieder zum Thema des Selbstporträts zurück, insbesonders in den Jahren 1911 bis 1916. Die meisten Bilder aus diesem Zeitraum zeigen den Künstler „bei der Arbeit“. Ab 1918 dagegen rückten die Bildnisse ohne Pinsel oder Staffelei in den Vordergrund. In dieser Hinsicht ist das 1915 Bild Selbstbildnis, stehend in Dreiviertelfigur, beide Hände in den Hosentaschen außergewöhnlich: ein frühes Beispiel für seine späteren, vielleicht selbstbewussteren Selbstdarstellungen.

Autorin: Isabella Seegers / Dr. Lucy Watling

Isabella Seegers studiert Kunstgeschichte und hat ein Praktikum in der Liebermann-Villa absolviert. Dr. Lucy Watling ist wissenschaftliche Volontärin der Liebermann-Villa.