4 Millionen warten auf den nächsten Sonntag

Im Rahmen unserer Ausstellung „Streit am Wannsee“ hat das Literarische Colloquium in Kooperation mit der Liebermann-Villa am vergangenen Montag den Film Menschen am Sonntag gezeigt.

Schauspieler Hanns Zischler und der Direktor der Liebermann-Villa, Dr. Martin Faass, am Montag bei der Diskussion zum Film “Menschen am Sonntag” im Literarischen Colloquium

Menschen am Sonntag ist ein sehenswerter Stummfilm von Robert Sidomak und Edgar G. Ulmer, der auf einem Drehbuch von Billy Wilder basiert. Sie alle waren damals Newcomer im Filmgeschäft und wollten dem melodramatischen Stummfilm ihrer Zeit eine moderne Erzählung ohne Stars und Kulissen entgegensetzen. Der Film entstand in Berlin im Jahr 1929 und handelt von vier jungen Menschen, die nach einer langen Arbeitswoche u.a. als Taxifahrer, Verkäuferin oder Weinvertreter einen typischen Großstadt-Sonntag verbringen. Der Film enthält viele authentische und sehr sehenswerte Berlin-Aufnahmen, die in einer wilden Collage das Leben einer Großstadt einfangen: von Parkanlagen, Straßenszenen, Blicken aus der Stadtbahn oder vom Badetrubel im Strandbad Wannsee. Durch die Mischung von dokumentarischen Aufnahmen und Spielszenen mit Laiendarstellern und durch die auf starke Kontraste setzende Lichtführung bei der Charakterisierung der Figuren ist Menschen am Sonntag ein frühes Beispiel für den Realismus im Film.

Im Strandbad Wannsee werden Erinnerungsfotos geschossen; Filmfoto aus: Menschen am Sonntag

Der Zuschauer begleitet die vier Protagnisten, zwei junge Frauen und zwei junge Männer, bei ihrem Ausflug an den Wannsee, wo sich die Gruppe umzieht, baden geht, Schallplatten auflegt, ein Picknick macht und eine Bootstour unternimmt. Die Protagonisten durchleben eine Vielfalt von Emotionen, die von scheuer Schwärmerei über fröhliche Geselligkeit bis hin zu erotischer Zuneigung reichen, aber auch Momente von Eifersucht, Zurückweisung und Rohheit. Kennzeichnend für ihre Beziehung und vom Film als großstadttypisch inszeniert, ist ein hohes Maß an Leichtigkeit und Unabhängigkeit, aber auch Unverbindlichkeit. Die große Liebe, daran lässt der Film keinen Zweifel, wird sich aus diesem Wochenendabendteuer nicht entwickeln.
Der Film endet wie jeder Sonntag: mit dem Beginn der Arbeitswoche am Montag und mit dem Resümee: „ 4 Millionen warten auf den nächsten Sonntag“.

Der Film „Menschen am Sonntag“ kann vollständig über die Internet-Plattform YouTube angesehen werden: https://www.youtube.com/watch?v=1hg_vL6lQ6I