Waldemar Rösler. Am Scheideweg der Moderne

Am 27. Januar jährte sich zum 100. Mal die Eröffnung der Waldemar Rösler Gedächtnisausstellung in der Galerie Paul Cassirer in Berlin. Paul Cassirer zeigte 1917 in seinen Räumlichkeiten in der Viktoriastraße etwa 50 Ölgemälde und 60 Arbeiten auf Papier von dem kurz zuvor verstorbenen Künstler. Das ist bis heute die größte Ausstellung von Röslers Werk, die je organisiert wurde. Rösler hatte sich am 14. Dezember 1916 im Alter von 32 Jahren das Leben genommen – schwer traumatisiert von dem, was er als Soldat im Ersten Weltkrieg durchleben musste.

Max Liebermann hielt die Eröffnungsrede bei dieser Gedächtnisausstellung 1917. Und es war die in dieser Rede zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung, die wir hier in der Liebermann-Villa zum Anlass für unsere Rösler Ausstellung nahmen. Denn Liebermann, damals einer der erfolgreichsten und bekanntesten Künstler Deutschlands, lobte Rösler darin in höchsten Tönen: Er sei „nicht nur eins der hoffnungsreichsten, sondern auch eins der gediegensten Talente“ unter seinen Altersgenossen, „wer könnte sagen, was er geleistet hätte, wenn ihn nicht ein tragisches Geschick frühzeitig hinweggerafft hätte?“.

In vielerlei Hinsicht hat unsere aktuelle Sonderausstellung über Waldemar Rösler die gleichen Ziele wie die Gedächtnisausstellung aus dem Jahr 1917. Wir möchten an die Person Rösler erinnern und seine Werke in Ihrer Vielfalt dem Berliner Publikum präsentieren. Zugleich versuchen wir mit unserer Ausstellung noch eine Frage zu beantworten, warum Rösler seinerzeit so sehr geschätzt wurde?

Waldemar Rösler, Berliner Straßenlandschaft,
um 1910, Privatsammlung

Eine entscheidende Rolle spielte Röslers Motivauswahl. Nach seiner Ankunft in Berlin 1906 fing er damit an, die neuentstandenen Vorstadtlandschaften in der Umgebung seiner Wohnung in Berlin-Lichterfelde zu malen: systematisch stellte er die vielfach neu gebauten Straßen, Häuser und Verkehrsverbindungen bei verschiedenen Lichtverhältnissen und Jahreszeiten dar. Solche ausgesprochen modernen Motive – nicht aus dem Zentrum der Großstadt, sondern vom Stadtrand – waren neu und machten Rösler schlagartig bekannt.

Dazu war Rösler unter seinen Zeitgenossen offensichtlich als Mensch sehr beliebt, was für den Erfolg als Künstler immer wichtig ist. Kritiker wie Karl Scheffler schrieben regelmäßig über ihn und seine Malerei; Künstler wie Max Beckmann sahen in Rösler einen Freund und Vertrauten. Durch sein gutes Netzwerk gelang es Röslers auch, innerhalb der Berliner Secession schnell Fuß zu fassen. Seine Entscheidung im Jahr 1913, eine Professur in Kassel abzulehnen, macht deutlich, wie wichtig für ihn die Verbindungen waren, die er sich in Berlin aufgebaut hatte.

Schließlich war es auch Röslers Malstil. Mit ihm traf er genau den Nerv seiner Zeit. Rösler war von der seinerzeit geschätzten Kunst des Impressionismus tief beeindruckt: sowohl von seinen französischen Vorläufern als auch den älteren deutschen Kollegen wie Max Liebermann. In ihrer Nachfolge widmete er seine Malerei dem modernen, bürgerlichen Leben; wie sie malte er was er vor sich sah – oft „en plein air“ – mit großem Interesse für die Impressionen des Realen.

Aber es gab noch etwas mehr in der Malerei Röslers: eine Entwicklung in eine neue Richtung, weg von der Darstellung dieser objektiven Realität. Diese Entwicklung, die in den späteren Berliner Bildern immer deutlicher zu erkennen ist, sieht man im Vergleich der beiden Blumenstilleben in unserer aktuellen Sonderausstellung: das Stillleben aus dem Jahr 1905 und das Stillleben mit Flieder aus dem Jahr 1913.

Waldemar Rösler, Stilleben, 1905
© Atelierhaus Rösler-Kröhnke
Waldemar Rösler, Stilleben mit Flieder, 1913
© Atelierhaus Rösler-Kröhnke

In dem früheren Werk steht die bürgerliche Häuslichkeit im Mittelpunkt. Zwei kleine Blumensträuße sind als Teil eines größeren Arrangements dargestellt. Daneben sieht der Betrachter eine Tasse mit Untertasse sowie eine dekorative Schüssel aus zweifarbigem Glas. Durch die vorsichtig gemalten Farbflecke – Lila, Grün, Gelb, Blau, Weiß und Rot – ist die Szene attraktiv und genau wiedergegeben: Das Muster auf der Teetasse ist ebenso deutlich zu erkennen wie die Blütenblätter der Gänseblümchen.

In dem späteren Werk hingegen hat Röslers Auffassung eines Blumenstraußes sich fundamental verändert. Es fehlt das häusliche Ambiente. Die Blumen, einfach in weißem Papier gebündelt, liegen in einem undefinierten orange-braunen Raum. Röslers Formen sind kantiger geworden. Statt vorsichtig gerundeten Schalen und Tassen sehen wir die geometrischen Flächen des Papiers und der Blätter. Dazu sind seine Farben klarer und eigenständiger geworden: der Blumenstrauß selbst auf Grün und Lila reduziert. Das Bild bleibt gegenständlich, der Fliederstrauß ist deutlich zu erkennen. In seiner Darstellung reduziert Rösler aber ganz bewusst die Blüten und Blätter auf einfache Formen, um die subjektive Intensität der Darstellungen zu erhöhen.

Es war vielleicht die hier zu beobachtende Fähigkeit Röslers, die impressionistische Malerei mit Elementen der expressionistischen Formensprache zu kombinieren, die ihn zu einer führenden Kraft der Berliner Kunstszene machte. Trotz der Kürze seiner Karriere machte sein Schaffen einen großen Eindruck auf seine Zeitgenossen. Nicht jedem im Ersten Weltkrieg gestorbenen Künstler wurde die Ehre einer Gedächtnisausstellung in der Galerie Cassirer zuteil. In unserer Ausstellung in der Liebermann-Villa haben Sie jetzt noch bis Montag, dem 6. März 2017 Zeit, sich einen Eindruck von Röslers Werken zu verschaffen und einen Blick auf einen Künstler zu werfen, der in vieler Hinsicht an einem Scheideweg zwischen Impressionismus und Expressionismus stand.


Autorin: Dr. Lucy Wasensteiner

Dr. Lucy Wasensteiner ist wissenschaftliche Volontärin der Liebermann-Villa